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In Deutschland ist Krieg wieder zu einer Handlungsoption geworden

Erklärung von pax-christi-Präsident Bischof Heinz Josef Algermissen zur Verlängerung des Afghanistanmandats

Erklärung von pax-christi-Präsident Bischof Heinz Josef Algermissen zur Verlängerung des Afghanistanmandats

Nach zehn Jahren entscheidet der Deutsche Bundestag erneut über die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan. Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen und politische Konsequenzen zu benennen.

Zu Beginn der deutschen Beteiligung an der internationalen Intervention in Afghanistan im Jahre 2001 wurde mit den kämpfenden Truppen eine Friedensmission verbunden. Es war die Rede vom Entwicklungshelfer in Uniform, von Frauenrechten und der Hilfe beim Aufbau einer eigenen Polizei. Die Stimmen, die vor der Eskalation einer militärischen Intervention warnten, fanden kein Gehör. Heute wissen wir, dass seither weniger ziviler Aufbau und Staatsbildung als die Kriegsdynamik das Geschehen in Afghanistan bestimmten.

Die Bundeswehr wird zur Armee im Einsatz umfunktioniert. Die Verteidigungsrestriktion des Grundgesetzes verliert faktisch ihre Bedeutung. Der Afghanistankrieg als vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung hat die Änderung der Verteidigungs- hin zur Einsatzarmee gefördert.

Die junge Generation in Deutschland wächst in einer Gesellschaft auf, die zwar Krieg führt, es aber zugleich leugnet. Was für die Trümmerfrauen und für viele Kriegsrückkehrer des Zweiten Weltkrieges undenkbar schien, ist heute wieder möglich.

Gleichzeitig fehlt der politische Diskurs über diese Entwicklung. Die deutsche Gesellschaft akzeptiert seit Jahren eine beschönigende Darstellung, die den Blick auf die Grausamkeit des Krieges vernebelt.

In Afghanistan blockieren die Kriegsfolgen den zivilen Aufbau

Die erneute Entscheidung über das Afghanistanmandat für die Bundeswehr wird zwar politisch als Beginn des Abzugs bis 2014 deklariert. Von einer Exit-Strategie kann aber bisher nicht die Rede sein. Auch in der jetzigen Mandatsentscheidung wird der Vorrang des Militärs vor ziviler Hilfe festgeschrieben:

  • Die Strategie von der Übergabe in Verantwortung bedeutet die Übergabe der sogenannten Präsenz in der Fläche an afghanische Soldaten und Sicherheitskräfte. So wird die Gefahr für die Interventionsarmeen reduziert und an die Afghanen delegiert.
  • Die Afghanistankonferenz vom Dezember 2011 in Bonn hat finanzielle und personelle Unterstützung für die afghanische Armee über 2014 hinaus zugesichert.
  • Ein Vertrag zwischen den USA und Afghanistan vereinbart die Stationierung amerikanischer Truppen an fünf zentralen Stützpunkten in Afghanistan bis ins Jahr 2024.
  • Die internationalen Truppen setzen ungeachtet der völkerrechtlichen und kriegsrechtlichen Brisanz auf neue Distanztechniken wie den Drohnenkrieg.

Verantwortung wahrzunehmen – oder eben diese zu „übergeben“ – ist in Deutschland zum Argument für die politische Rechtfertigung der Kriegführung geworden. Das vielfach beschworene Szenario eines drohenden Bürgerkrieges bei sofortigem Abzug der internationalen Truppen funktioniert seit Jahren, um die Befürworter einer sofortigen Beendigung der Kämpfe durch Waffenstillstand zu diskreditieren. Auf diese Weise wurde und wird in belastender Weise in der Bevölkerung Zweifel am Wert der friedlichen Option und der Ablehnung des Krieges gesät. Der Erfolg dieser Kriegsstrategie gründet auch darin, dass die grausamen Kriegsfolgen für die Menschen in Afghanistan in der Medienberichterstattung bilderlos bleiben. Nach 32 Kriegsjahren ist Afghanistan in allen Bereichen von Kriegsfolgen gezeichnet. Die Zahl der Verletzten und Toten ist nicht gesichert. Wir müssen aber befürchten, dass sie in die Hunderttausende geht.

Deutschland muss sich diesen Kriegsfolgen stellen. Auch in unserer Kirche gibt es gute Gründe, sich mit dem Problem der fortgesetzten Mandatsverlängerung auseinanderzusetzen. Der Krieg wird auch dort vielerorts als „humanitärer Einsatz“ gesehen, das Kämpfen der Soldaten als Friedensdienst bezeichnet. Ich habe hohen Respekt vor der Gewissensentscheidung eines jeden Soldaten und dessen Einsatz für die Menschenrechte. Nach zehn Jahren Krieg in Afghanistan – das ist fast doppelt so lang, wie der Zweite Weltkrieg dauerte – gilt aber umso mehr das Wort der deutschen Bischöfe „Gerechter Friede“ aus dem Jahre 2000, nach dem es auch in Situationen extremer Menschenrechtsverletzungen keine „Gewöhnung an das Mittel der Gewaltanwendung“ geben darf (GF 161).


Angesichts der fortgesetzten Gewalt in Afghanistan frage ich: Warum hören wir nicht inständiger auf unsere eigenen Worte und entscheiden uns endlich für eine umfassende und konsequente zivile Hilfe für Afghanistan?


Deshalb rät pax christi den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Beendigung dieses Krieges. Das vorliegende Mandat ist aus der Perspektive der katholischen Friedensbewegung pax christi nicht zustimmungsfähig, weil es die Fortsetzung der Kämpfe statt ihre Beendigung bedeutet. Schaffen Sie dagegen die Bedingungen für einen zivilen Wiederaufbau des Landes!

Berlin/Fulda, den 23. Januar 2012

+ Heinz Josef Algermissen

Präsident von pax christi Deutschland
Bischof von Fulda

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