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Aktuelles Bischofswort - zum Sonntag, 24. September 2017

Die Waage der Gerechtigkeit

Von Bischof Heinz Josef Algermissen

In der Erzählung „Die Waage der Baleks“ führt der Schriftsteller Heinrich Böll seine Leser in das Land des Grafen Balek. Dort scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Alle leben friedlich miteinander, und man hat sich auch daran gewöhnt, dass es im ganzen Ort nur eine einzige Waage geben darf. Sie steht im gräflichen Schloss. Wenn etwas gewogen werden muss, ist das nur mit dieser Waage möglich, seit Generationen schon. Und sicher wäre es auch so geblieben, wenn nicht ein Junge diese Waage auf ihre Genauigkeit hin überprüft hätte. Fünf Kieselsteine muss er auf eine Waagschale werfen, damit sich die Waage bei der Belastung von einem halben Kilo wieder einpendelt. Bei allem, was bisher gewogen wurde, sind die Dorfbewohner also um das Gewicht von fünf Steinen je halbes Kilo betrogen worden. Die Waage war falsch geeicht. In der Folge dieser Einsicht kommt es zu einem Aufstand. Und überall hört man die Klage: „Fünf Kieselsteine fehlen auf ein Pfund an der Gerechtigkeit.“ Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen, Frieden und Glück sind für immer vorbei.

Die Erzählung macht deutlich: Sie muss schon stimmen, die Waage der Gerechtigkeit, wenn Menschen in Frieden miteinander auskommen wollen. Wenn Begriffe wie „Recht“ und „Gerechtigkeit“ in einer Gesellschaft nicht ernst genommen werden, wenn die eine dem anderen nicht mehr trauen kann, weil sie oder er Angst haben muss, betrogen zu werden, dann ist menschliches Zusammenleben kaum mehr möglich.

Übertragen wir diesen Grundsatz auf unsere Beziehung zu Gott. Wie würde sich da die Waage der Gerechtigkeit einpendeln, wie sich die Gewichte verteilen? In die eine Waagschale könnten wir unsere religiöse Leistung legen: Ich besuche relativ regelmäßig den Gottesdienst, versuche, die Gebote zu halten, bin bemüht, in der Familie und im Beruf meine Aufgaben zu erfüllen, auch Spenden zu geben. Das alles kann sicher positiv zu Buche schlagen. Und die andere Waagschale? Würde Gott allein nach den Kategorien menschlicher Gerechtigkeit urteilen, könnte er uns entgegenhalten: Schön und gut, dass du das alles tust. Aber meinst du wirklich, dir mit alledem das Heil verdienen zu können? Und vor allem: Wie steht es mit deinem Glauben wirklich, warum gibt er deinem Leben im Grunde so wenig Form und Richtung?

Die Waage der Gerechtigkeit, so wird deutlich, schlägt zu unseren Ungunsten aus. Würde das Aufrechnen menschlicher Leistung auch in unserer Beziehung zu Gott eine Rolle spielen, wäre es schlecht um uns bestellt.

An diesem 25. Sonntag im Jahreskreis wird uns im Matthäus-Evangelium (20,1-16) das tröstende und befreiende Gleichnis vom Gutsbesitzer geschenkt, der in seiner Güte den Arbeitern der letzten Stunde einen Denar bezahlt, wie auch denen, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Jesus sagt: „Im Himmelreich wird es genauso sein, da wird nicht nach Tarif vergütet, sondern im Übermaß der Gnade verschenkt. Dort ist die Barmherzigkeit Grundsatz.“

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, eure Wege sind nicht meine Wege“, lässt Gott den Propheten Jesaja (55,8) mitteilen. Gott gibt jeder und jedem von uns den Denar, den sie oder er zum Leben braucht. Das ist unsere Chance.
Ich bin froh und tief dankbar, dass ER mich nicht wie ein Buchhalter nach Soll und Haben beurteilt, sondern mir mehr schenkt, als ich je verdiene. Ich bin dankbar, dass ER auf die Waage meines Lebens den Gewichtsstein seiner Barmherzigkeit legt, damit die Waage letzten Endes zu meinen Gunsten ausschlagen kann. So muss ich nicht an meinen Schwächen verzweifeln, weil ich wissen darf: Am Abend erwartet mich nicht eine knauserige Abrechnung, sondern Gottes Güte und Erbarmen.
Wenn ich indes wissen darf, wie großzügig Gott zu mir ist – jenseits aller menschlichen Maßstäbe und Kategorien, kann ich dann zu meinen Mitmenschen noch hart und gnadenlos sein?


Vorstehender Beitrag erscheint als „Wort des Bischofs“ in der Kirchenzeitung „Bonifatiusbote“

 

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