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Bistum Fulda

Fastenhirtenbrief 2012

“Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben” (Jer 29,11)

Fastenhirtenbrief 2012

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Unser Alltag steckt voller Hoffnungen. In der Umgangssprache hoffen wir auf bessere Zeiten oder schöpfen wieder Hoffnung. Schülerinnen und Schüler hoffen auf gute Noten, junge Erwachsene auf einen guten Arbeitsplatz, Eltern setzen alle Hoffnungen auf ihre Kinder. Früher sagte man von einer Frau, die ein Kind erwartete, sie sei guter Hoffnung. “Die Hoffnung stirbt zuletzt”, dieses Sprichwort ist in aller Munde, selbst im Sprechgesang der jungen Hip-Hop-Musik.

Müssen wir die Hoffnung begraben, wenn sie nicht erfüllbar ist? Einen Verstorbenen können wir nicht wieder lebendig machen. Aber wir dürfen hoffen, dass Gott ihn von den Toten auferweckt und ihm ewiges Leben schenkt. Diese unzerstörbare Hoffnung haben wir Christen, für uns und alle Menschen. Die Bibel erzählt zahlreiche Rettungsgeschichten, in denen die Hoffnungen auf Heilung, Versöhnung, Leben und Erlösung anschaulich werden.

Eine dieser Geschichten erzählt von der Zerstörung Jerusalems fast 600 Jahre vor Christus. Es war Nebukadnezar, der Herrscher Babylons, der das tat und die Einwohner in seine Hauptstadt verschleppte. Doch selbst in dieser Katastrophe blühte die Hoffnung auf. Denn der Prophet Jeremia trug den Deportierten auf, in der Diaspora ein neues Gemeinwesen mit Häusern und Gärten aufzubauen, Familien zu gründen, das Leben zu gestalten und sich um das Wohl der Stadt zu kümmern. Und dann folgt die große Verheißung Gottes: “Ich will euch eine Zukunft und Hoffnung geben” (Jer 29,11).
Wie krisenhaft auch immer eine Situation sein mag, Gott gibt Zukunft und Hoffnung. Sie befähigen dazu, am Aufbau der Gesellschaft mitzuwirken, ob im babylonischen Exil oder in der säkularen Diaspora.

Die Hoffnung gilt auch für jeden einzelnen, der auf Gott baut, wie der Beter im Psalm: “Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe; denn von ihm kommt meine Hoffnung. Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg; darum werde ich nicht wanken” (Ps 62, 6-7). Glücklich, wer ein solches Gottvertrauen hat.

Von den Schätzen der Kirche

Als ich vor gut zehn Jahren zum Bischof von Fulda berufen wurde und das Neuland der Diözese betrat, bewegten mich im Vertrauen auf Gottes Hilfe viele Hoffnungen. Im Rückblick auf dieses Jahrzehnt bin ich dankbar für die Glaubenstreue und den Einsatz so vieler katholischer Männer, Frauen und Jugendlicher in Kirche und Welt. Sie haben meine Hoffnung bestärkt, dass der Herr uns mit starker Hand auch in schwierigen Zeiten begleitet.

Die Jahre haben mir aber auch die Herausforderungen verdeutlicht, die in säkularen Zeiten auf unsere Kirche zukommen. Demographisch abnehmende Mitgliederzahlen und geringer werdende materielle Ressourcen erfordern einschneidende Strukturreformen. Damit gehen Wandlungen einher, die Abschiede vom Gewohnten bedeuten, aber zugleich auch neue Aufbrüche ermöglichen.

Da wir nach dem Willen des II. Vatikanischen Konzils „Kirche in der Welt von heute” sein sollen, geht es nicht nur darum, den Schatz des christlichen Glaubens zu bewahren. Vielmehr kommt es darauf an, diesen Schatz unserer Gegenwart neu zu erschließen, unseren Zeitgenossinnen und Zeitgenossen präsent zu machen. Genau dies forderte der selige Papst Johannes XXIII., als er 1962, also vor fünfzig Jahren, das Konzil eröffnete.

Was die Kirche zu präsentieren hat, trifft auf die religiöse Sehnsucht der Menschen unserer Tage, die vielfach spürbar ist. Wie können wir Christen diese Suchbewegungen in der spätmodernen Kultur aufgreifen und mit dem großen Schatz unserer spirituellen Traditionen verknüpfen? Ich denke dabei an die Spiritualitäten der Bibel, an die Heiligen und Mystiker, aber auch an die großen Orden oder an geistliche Bewegungen wie Taizé. Diesen geistlichen Schatz, der uns “in zerbrechlichen Gefäßen” (2 Kor 4,7) anvertraut ist, gilt es nicht nur zu bewahren oder gar wegzuschließen, sondern großzügig zu verbreiten.

Ich denke auch an die Sakramente, die der Kirche anvertraut sind und die Menschen auf ihrem Lebensweg begleiten. Diese Mysterien der Gegenwart Christi und des Heiligen Geistes gehören ebenso zu den Schätzen der Kirche wie die Bibel, die von Gottes Handeln in der Welt erzählt. Wer diese Hoffnungsgeschichten aufnimmt und weitererzählt, wird in allen Lebenslagen bereit sein, den Glauben zu bezeugen, gelegen oder ungelegen. “Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (1 Petr 3,15).
„Rede und Antwort stehen“ ist nicht nur ein intellektueller Vorgang des Kopfes, sondern auch eine Regung des Herzens und der Hand. Barmherzigkeit und Gerechtigkeitssinn führen zum tätigen Einsatz für Bedürftige. Ohne Aufhebens sind viele wie selbstverständlich karitativ tätig, ob in der eigenen Familie, der Nachbarschaft oder der Pfarrei. Für diese oft verborgenen Dienste am Nächsten möchte ich ausdrücklich danken; auf dieses Aroma der Barmherzigkeit kann die Kirche nie verzichten. Auch die zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen des Caritasverbands wirken mit an der “Wechselwirkung zwischen Gottes- und Nächstenliebe”, die Papst Benedikt XVI. so beschreibt: “Im Geringsten begegnen wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott” (Deus caritas est 15).

Von den Briefen der Hoffnung

Die Briefe, die mir die Pastoralverbünde im vergangenen Jahr zugesandt haben, spiegeln Hoffnungen und Erwartungen an unsere Kirche wider. Selbst wenn Klagen geäußert und Missstände benannt werden, stehen Hoffnungen auf Besserung dahinter. Aus den vielen Fragen und Vorschlägen für unser Bistum möchte ich einige Leitlinien nennen, die für eine Pastoral der Präsenz wichtig sind. Eine solche Pastoral zielt auf die Vergegenwärtigung Gottes, dessen Geheimnis unsere Wirklichkeit durchformt, weil Jesus Christus “mitten unter uns“ ist (Mt 18,20) und sein Heiliger Geist uns beschenkt.
In den Hoffnungsbriefen geht es zusammenfassend darum, die zentralen Handlungsfelder der Kirche in den Kontext der Gegenwart zu stellen. Die Kirche ist nicht von einem anderen Stern, sondern hat ihre Aufgaben in dieser Welt zu erfüllen. Daher müssen wir die Situation gut kennen und die Lebensräume unserer Gemeinden wahrnehmen. Die Pastoralverbünde vergrößern die bisher gewohnten Räume und eröffnen damit die Chancen, den Kirchturmhorizont zu erweitern und die Gemeinden besser zu vernetzen.
Werden die kleinen Gemeinden als Knotenpunkte in einem größeren Netzwerk verstanden, gewinnen sie an Profil und Verantwortung für das christliche Leben am Ort. Dazu gehört die Aufgabe, dem Glauben auch in der Zivilgesellschaft Stimme und Gesicht zu geben. Wie den in Babylon Exilierten ist uns das Gemeinwohl aller aufgetragen, in der Stadt und auf dem Land.
Besteht eine Diasporasituation, so bildet dies keinen Grund zum Rückzug, vielmehr bietet sich die Gelegenheit, den Glauben in kluger Weise missionarisch zu vertreten. Heute kommt es auch darauf an, als Kirche, ob als Einzelne, Verbände oder Gruppierungen, in den verschiedenen sozialen Milieus unserer Gesellschaft präsent zu sein. Zu den “Zeichen der Zeit” (Gaudium et spes 4) gehören der wache Sinn für die Freiheit in einem gerechten Frieden und die Einsicht in die nötige globale Solidarität, die Sorge um Arme und Migranten, die Sensibilität für die weltweite Frauenfrage und eine neue Option für Kinder und Jugendliche.
Unsere Kirche braucht wesentlich den Priester, um ihrer sakramentalen Gestalt treu zu bleiben. Eine solche geistliche Berufung ist eine Gabe, um die wir beten, aber auch gute familiale und gemeindliche Voraussetzungen schaffen sollten. Unersetzlich ist zudem der Beitrag der Laien außerhalb kirchlicher Zusammenhänge. “Durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedensten Bereichen der Welt als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe präsent” (Johannes Paul II., Christifideles laici 7). Es versteht sich von selbst, dass unter den Mitgliedern der Kirche eine vertrauensvolle Atmosphäre, wechselseitige Anerkennung der Kompetenzen und Kooperation unabdingbar sind und bei Gelingen ein Zeugnis darstellen.
Im Kontext unserer spätmodernen Kultur darf sich die Kirche weder dem Zeitgeist anpassen noch sich als “Insel der Seligen” in einer Eigenwelt abschotten. Vielmehr geht es darum, das Verhältnis von Kirche und Welt immer neu auszutarieren, um einerseits der Sendung in die Welt gerecht zu werden, zugleich aber “Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute” (Gaudium et spes 1) wahrzunehmen.
Die Handlungsfelder der Kirche in der Welt von heute sind so breit, dass wir Prioritäten setzen müssen. Unabdingbar wird sein, die einzelnen Felder zu überprüfen, das Wesentliche zu bewahren, nicht so Wichtiges beiseite zu lassen und Neues zuzulassen. Das setzt Urteilskraft und Unterscheidung der Geister voraus.
Mit anderen Worten: Schwerpunkte kirchlichen Engagements kann es nur geben, wenn wir Entlastung finden. Das habe ich in den letzten Jahren immer wieder betont, umgesetzt ist es weitgehend noch nicht. Damit müssen wir unbedingt konsequent beginnen. Denn Entlastung bringt Freiräume, die Nährboden sind für jene Herausforderungen, die Gott uns heute zumutet.

Von den Gaben des Gottesvolks

Vor den Auf-Gaben muss von den Gaben die Rede sein, die in der Bibel “Charismen” heißen. Jede und jeder verfügt über Gaben und Begabungen. Man bekommt sie “gratis”, aus Gnade geschenkt, hat dann aber die Verantwortung, sie zu nutzen. Bei Charismen denkt man schnell an charismatische oder pfingstlerische Bewegungen, welche die Gaben der Zungenrede oder Heilung betonen. Doch sind die Charismen, von denen Paulus spricht (vgl. die drei Tafeln 1 Kor 12, 1-11; 1 Kor 14, 1-25; Röm 12, 5-8) viel weiter gefasst und alltagstauglich. Dazu gehören zum Beispiel die Gaben (Charismen), den Glauben zu bezeugen, Weisheit mitzuteilen, Erkenntnis zu vermitteln, Leitungsdienste auszuüben, Geister zu unterscheiden, aber auch diakonische Charismen wie Dienen und Trösten.
Auch Einfühlungsvermögen, guter Rat und materielle Mittel können ebenso hilfreiche Gaben sein wie die Kreativität der Jugend und die Lebensweisheit der Alten. Kurz und bündig: “Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat” (1 Petr 4,10).

Durch solche Gaben befähigt der Heilige Geist das Gottesvolk, “für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen” (Lumen gentium 12). In der Zukunft bedarf es daher einer neuen Aufmerksamkeit für die Gaben der einzelnen Personen, um die reichlich vorhandenen humanen und spirituellen Ressourcen nicht brach liegen zu lassen, sondern schöpferisch zu nutzen.
Diese Talente und Gaben sind natürlich auch bei der jungen Generation vorhanden, die als “pragmatische Generation” beschrieben wird. Bei ihr fallen nicht nur das Engagement für andere sowie die Sehnsucht nach religiöser Orientierung auf, sondern überraschenderweise auch eine relativ positive Einstellung zur Kirche, die sich allerdings ändern und mehr auf die Fragen der Jugend eingehen muss.
Daraus ergeben sich nun zwei Aufgaben: Zum einen für die Erwachsenen, sensibler für die Fragen der jungen Generation zu werden; zum anderen für die jungen Leute, ihre Talente und Gaben, ihre soziale und sonstige Kompetenz einzubringen.
Mit der “Begabung” wächst die Verantwortung, die Gabe wandelt sich in die Auf-Gabe. Über die diakonische Aufgabe habe ich oben schon gesprochen. Mir liegen noch zwei weitere zentrale Bereiche am Herzen. Zum einen geht es um das Zeugnis des Glaubens im Alltag, das in der Lebensführung im beruflichen und familiären Umfeld am überzeugendsten zum Tragen kommt. Neben dem schulischen Religionsunterricht und der gemeindlichen Katechese bieten Glaubenskurse gute Möglichkeiten, in den Glauben hineinzuführen und sprachfähig zu werden.
Zum anderen geht es mir besonders um die Liturgie der Kirche, die als Präsenz des Heiligen auch in die säkulare Welt ausstrahlt. Dies setzt freilich eine authentisch würdige und ästhetisch ansprechende Feier der “heiligen Geheimnisse” voraus, in der die heilige Schrift das Leben verstehen lässt, und die bedrängenden Lebensfragen ins Licht des Evangeliums gerückt werden. Auch die Musik, das Spiel der Orgel, die Kirchenlieder oder der Chorgesang bereiten den Weg. Wer singt, betet doppelt, heißt es.
Die Liturgie findet ihren Höhepunkt in der Eucharistie, in der wir für die reale Präsenz Christi danken und durch den Empfang des Leibes Christi selbst verwandelt werden. Darum sind neben der religiösen Erziehung die gute katechetische Hinführung der Kinder zur Erstkommunion und der Jugendlichen zur Firmung biographisch so wichtig. Mit der Firmung an der Lebenswende sollten die Jugendlichen in den Bereichen der Liturgie und Diakonie bestimmte Kompetenzen erhalten, durch die sie ihren Beitrag als Zeugen des Glaubens in ihren Lebenswelten leisten können.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Die Fastenzeit lädt uns ein zur Unterbrechung des Alltags und zur Umkehr, d. h. zur vertrauensvollen Hinkehr zu Gott und zu den Anderen. So lade ich Euch und Sie alle herzlich zu dieser hoffnungsvollen Umkehr ein. Mein Wunsch lautet mit den Worten des Apostels Paulus: “Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes” (Röm 15,13).

Dazu segne Sie auf die Fürsprache der Gottesmutter und des heiligen Bonifatius der gütige Gott: der +Vater und der +Sohn und der +Hl. Geist.

Ihr

Heinz Josef Algermissen

Bischof von Fulda

Fulda, Aschermittwoch 2012

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