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Bischofswort zum 18. Juni 2017

Prozession und Nachfolge

Von Bischof Heinz Josef Algermissen

Unter meinen Büchern steht auch eine Dokumentensammlung aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs mit dem Titel „Letzte Briefe zum Tode Verurteilter“. Sie enthält erschütternde Zeugnisse von gefangenen Widerstandskämpfern kurz vor ihrer Hinrichtung und von Juden, wenige Stunden vor ihrem Abtransport in ein Konzentrationslager. Hier ist aufgeschrieben, was Menschen angesichts des unmittelbar bevorstehenden Todes fühlen und empfinden. Allen Briefen gemeinsam sind zwei Merkmale:

 

Erstens sind sie nicht für die Öffentlichkeit geschrieben. Keiner der Todeskandidaten hat daran gedacht, dass seine Zeilen je in einem Buch abgedruckt würden. Die Briefe sind bestimmt nur für die nächsten Angehörigen: für Mutter oder Vater, für die Ehefrau, die Verlobte oder den Freund. Die letzten Gedanken gehören den Menschen, mit denen die Verurteilten lebenslang in Liebe verbunden waren. Wer diese Briefe als Außenstehender liest, hat das Gefühl, eine Indiskretion zu begehen.

 

Zweitens: Was die zum Tode Verurteilten in ihren letzten Stunden zu Papier bringen, zeugt von dem Bemühen um absolute Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit. Neben Angst und Trauer spricht aus allen Zeilen besonders das Bemühen, noch einmal sich auf die letzten Beweggründe des eigenen Handelns, auf das tragende Fundament des eigenen Lebens zu besinnen. Niemand wird im Angesicht des Todes noch irgendeine Rolle spielen wollen, sich mit Nebensächlichkeiten aufhalten oder gar eine Maske aufsetzen. Jeder will dem geliebten Menschen noch einmal und endgültig sagen, was die Wahrheit des eigenen Lebens gewesen ist.

 

Die letzten Briefe zum Tode Verurteilter erschließen uns, so glaube ich, einen Weg zum Verständnis des Festes Fronleichnam, das im 13./14. Jahrhundert aus der Vorstellung erwuchs, dass die Fülle dessen, was uns im Vermächtnis Jesu geschenkt ist, am Gründonnerstag allein gar nicht ausgeschöpft werden kann. Das „Ergänzungsfest“ Fronleichnam führt uns also in die Nacht, in der Jesus ausgeliefert wurde (vgl. 1 Korinther 11,23-26). Da, in diesen Stunden, in denen er seine Botschaft und Sendung wie in einem Konzentrat bündelt, offenbart er in Worten und Zeichen, wozu er gekommen ist. Jesus fasst in einer ergreifenden Handlung das eigentliche Thema seines Lebens zusammen: Er ist gekommen, um den Armen Hoffnung, den Kranken Heilung, den Sündern Versöhnung, den Hungrigen Brot und den Sterbenden neues Leben zu schenken. Das alles macht er sinnenfällig deutlich, als er sich während des Mahles erhebt, um seinen Jüngern die Füße zu waschen.

 

In einer zweiten bedeutsamen Handlung offenbart Jesus nochmals das Ziel seines Lebens: für die Menschen da zu sein, alles an die Menschen auszuteilen. Er wird zur Nahrung für die Seinen, Brot auf dem Pilgerweg, damit sie nicht verhungern.

 

Liebe Leserinnen und Leser, was macht man mit einem Testament? Es wird nicht nur geöffnet und gelesen, und dann geht man zur Tagesordnung über. Nein, ein Testament muss vollstreckt, der letzte Wille muss erfüllt werden. Wenn uns nun der letzte Wille eines Menschen heilig ist und wir alles tun, um ihn zu erfüllen, um wieviel mehr muss uns Jesu Testament heilig und verbindlich sein.

 

Der letzte Wille des Herrn, offenbart in den Zeichen der Fußwaschung und des gemeinsamen Mahles, muss von allen, die sich Christen nennen, vollzogen werden, wollen sie wirklich in seiner Nachfolge stehen.

 

Nachfolge vollzieht sich demnach nicht in Machtausübung, Ansehen und Ehre, sondern in der Haltung des Dienens. Eine für uns heute ebenso unpopuläre wie folgenreiche Einsicht! Und damit wir auf dem Weg dieser Nachfolge nicht verhungernd liegenbleiben, bekommen wir als Geschenk das „Brot vom Himmel, das der Welt Leben gibt“ (Johannes 6,33).

 

Wozu und wovon wir eigentlich leben, wird uns am Fest Fronleichnam ins Bewusstsein gerufen. Es ist gut, das Geschenk, das Geheimnis bleibt, in der Form der Prozession zu verehren und eine Schlussfolgerung für das persönliche Leben zu ziehen.


 

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