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Hirtenbrief

Geistliche Ökumene

Hirtenbrief 2008 des Bischofs von Fulda  
 
 
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Stichworte wie "Eiszeit" oder "Krise" werden derzeit häufig benutzt, wenn man über die Situation der Ökumene in Deutschland spricht. Die Bewegung hat merklich an Schwung verloren; eine "Ökumene der Profile" brachte zugespitzt manche Wunden. So ist es wirklich notwendig, sich auf die zentralen Antriebskräfte und Grundlagen zu besinnen und sich ihrer neu zu vergewissern. In diesem Zusammenhang lädt uns die ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen im Jahr 2008 mit einem doppelten Jubiläum ein, das Gebet wieder in das Zentrum unseres ökumenischen Handelns zu rücken. Vor hundert Jahren wurde auf Initiative des anglikanischen Pfarrers Paul Wattson die erste Gebetsoktav für die Einheit der Christen durchgeführt. Sie breitete sich vornehmlich in der römisch-katholischen Kirche aus.

Zugleich werden seit 40 Jahren die jährlichen Themen und Texte von einer gemeinsamen internationalen Arbeitsgruppe des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und des Ökumenischen Rates der Kirchen erarbeitet. 1968 erschienen die gemeinsamen Texte das erste Mal. Mittlerweile ist die Gebetswoche für viele Gemeinden zu einem festen Bestandteil ihres ökumenischen Lebens geworden. Sie wird jährlich vom 18. bis 25. Januar oder zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten begangen. Das doppelte Jubiläum soll uns in diesem Jahr Anlaß sein, das Thema der geistlichen Ökumene zur Sprache zu bringen.

1. Zunächst ist ein Blick auf das Evangelium unerläßlich. Jesus wollte die sichtbare Einheit seiner Jünger, und deshalb ist die konfessionelle Trennung ein Ärgernis, das dem erklärten Willen Jesu widerspricht. Der Einsatz für die Einheit unter den Christen ist keine moderne Reformidee im Sinn einer notwendigen Kooperations- und Aktionsgemeinschaft gegenüber einer religionslosen oder sogar -feindlichen gesellschaftlichen Umwelt, sondern Auftrag Jesu. Darauf sollten wir uns immer wieder besinnen, wenn wir in das ökumenische Gespräch eintreten. Ziel ist die sichtbare Einheit der Christen, die der Herr selbst gewollt hat. Am deutlichsten wird dieser Wille Jesu nach Einheit unter seinen Jüngern im Abschiedsgebet aus dem Johannesevangelium. Jesus betet in der Nacht vor seinem Leiden zum Vater: "Alle sollen eins sein, …damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast" (vgl. Joh 17, 21-23).

Der Aufruf zur Einheit findet sich auch bei Paulus. So ruft er die Korinther auf: "Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch" (1 Kor 1, 10). Und im Epheserbrief heißt es: "Ertragt einander in Liebe, bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller" (Eph 4, 3-5). Daraus ergibt sich gleichsam als Auftrag das Motto der diesjährigen Gebetswoche: "Betet ohne Unterlaß!" (1 Thess 5, 17).

Wie aber sollen wir beten? Der berühmte Pionier der Ökumene Paul Cou-turier, der auch der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen den entscheidenden Anstoß gegeben hat, sagte einmal: "Es kommt darauf an, daß ich den anderen in mir beten lasse… So beten in mir und mit mir bei der Heiligen Messe, beim Brevier und beim stillen Privatgebet meine Brüder, die Protestanten, Anglikaner und Orthodoxen. Und so wie ich bin, nehme auch ich teil an der Feier der göttlichen Liturgie und am Stundengebet der überzeugten Orthodoxen, am öffentlichen und privaten Gebet der eifrigen Anglikaner und am Abendmahlsgottesdienst der gläubigen Protestanten."

Im Beten sind wir also schon jetzt in Jesus Christus vereint, und es fällt auf, daß in ökumenischen Gebetsgruppen das Miteinander im geistlichen Tun relativ unkompliziert möglich ist. Der Geist verbindet die Konfessionen zum gemeinsamen Zeugnis für Jesus Christus, wie z. B. der Kongreß "Miteinander für Europa" im Mai letzten Jahres in Stuttgart gezeigt hat. In diesem Sinne dürfen wir vertrauen, daß die sichtbare Einheit, die für die katholische Kirche das Ziel der Ökumene ist und bleibt, umso mehr hergestellt wird, desto mutiger wir uns dem Geist Gottes öffnen und auf Christus zuwachsen.

2. Den geistlichen Ökumenismus beschreibt das II. Vatikanische Konzil wie folgt: "Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden" (UR 8).

Zwei Aussagen sind hier wichtig, die uns tiefer in das Thema hineinführen sollen. Zum einen, daß die geistliche Ökumene "die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung" genannt wird. Und zum anderen, daß diese geistliche Ökumene zwei Elemente hat: die öffentlichen und privaten Bittgebete der Gläubigen und die Bekehrung des Herzens wie die Heiligkeit des Lebens. Was aber bedeuten diese Elemente praktisch?

Schauen wir zunächst auf das Gebetsleben. Kardinal Walter Kasper, Präsident des päpstlichen Einheitsrates, hat in seinem "Wegweiser Ökumene und Spiritualität" einige Hinweise gegeben, wie Gemeinden das liturgische Jahr mit ökumenischen Gebeten füllen können. Neben den schon genannten Gebetswochen im Januar und vor Pfingsten gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, das Gebet um die Einheit der Christen entweder allein als katholische Gemeinde oder gemeinsam mit den anderen christlichen Konfessionen zu fördern. Unsere christlichen Feste bieten genügend Möglichkeiten zum gemeinsamen Beten:

- Im Advent und in der Weihnachtszeit könnten gemeinsame Vespergottesdienste gefeiert werden. Auch am 31. Dezember wäre ein gemeinsamer Dank- und Bittgottesdienst möglich, der deutlich machen würde, daß wir als Christen gemeinsam in das neue Jahr gehen. Ebenso kann der beliebte katholische Brauch des Sternsingens ökumenisch ausgeweitet werden. Am Fest der Taufe des Herrn könnte eine ökumenische Tauferneuerungsfeier, besonders für konfessionsverbindende Paare, stattfinden.
- In der Fastenzeit und Karwoche bieten sich gemeinsame Aktionen wie der Jugendkreuzweg an, aber auch theologische Vortrags- und Gesprächsabende zu einem ökumenischen Thema. Der Weltgebetstag der Frauen hat in vielen Gemeinden als ökumenischer Gebetstag eine gute Tradition.
- Am Abend des Ostersonntags bietet sich eine gemeinsame Vesper mit Verehrung der Osterkerze an. Wichtig ist in der österlichen Zeit vor allem die Pfingstnovene mit dem drängenden Gebet um die Einheit der Christen. Das Bitten um den Heiligen Geist ist für die Ökumene je neu wie ein Atemholen.
- Während des Jahres können gemäß der üblichen Bräuche und Festzeiten immer wieder Tage gefunden werden, an denen man gemeinsam als Christen Zeugnis ablegt. Zu denken ist z. B. an den Schuljahresanfang und das Schuljahresende oder an ein ökumenisches Totengedenken im November. Es ist sicherlich ein eindrückliches Zeichen, wenn Christen gemeinsam im Gebet das Gedächtnis ihrer Verstorbenen pflegen. Der Glaube und die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten verbinden uns und könnten so gerade in schweren Zeiten deutlich machen, daß wir als Christen verschiedener Konfessionen von derselben Hoffnung erfüllt sind.
- Schließlich ist noch das Gedächtnis gemeinsamer Glaubenszeugen zu nennen, wie es im letzten Jahr das Gedenken an die heilige Elisabeth schon deutlich gemacht hat. Immer mehr wird auch von evangelischer Seite das Beispiel überzeugter Christen in den Mittelpunkt ihrer Verkündigung gerückt, so daß hier vielfältige Anknüpfungspunkte bestehen.

Dieser kurze Blick in das liturgische Jahr zeigt, daß es viele Möglichkeiten gibt, wenn es um das gemeinsame christliche Gebet geht.
Die Bitte um die Einheit der Christen muß dabei nicht immer in ökumeni-schen Gottesdiensten stattfinden, auch in jeder katholischen Eucharistifeier wird im Hochgebet um die Einheit gebetet, und in den Fürbitten kann dieses Anliegen ebenfalls aufgenommen werden. Bei unseren Gebeten ist dabei dem Gebet des Herrn, dem "Vaterunser", eine besondere Beachtung zu schenken, weil es alle Christen miteinander verbindet.

3. Ein wesentlicher Schritt zur Versöhnung und Gemeinschaft ist dann getan, wenn jeder einzelne Christ die Spaltung der Kirche als eine schmerzliche Wunde im eigenen Herzen empfindet. Spüren wir diesen Schmerz aber tatsächlich noch oder nehmen wir die Trennung als eine Tatsache hin, an die wir uns gewöhnt haben? Inwieweit tragen unser persönlicher Stolz, unsere Polemik und Geringschätzung zur Trennung bei?

Zur geistlichen Ökumene gehören deswegen nicht nur verschiedene Gebetsformen und Gottesdienste, sondern auch eine ernsthafte Gewissensprüfung, in der jeder Einzelne eigene Fehler erkennen und der versöhnenden Kraft des Evangeliums vertrauen kann: "Spirituelle Menschen beginnen mit ihrer eigenen Umkehr, die zur Veränderung der Welt führt. Unser Zeugnis vom Licht Christi ist eine ehrliche Verpflichtung, unsere Geschichten vom Leben und von der Hoffnung, die uns in der Nachfolge Christi beeinflußt haben, zu hören, danach zu leben und sie miteinander zu teilen", so hat es die dritte europäische ökumenische Versammlung in Sibiu im September 2007 in ihrer Schlußbotschaft formuliert.
Die Bekehrung des Herzens erschöpft sich also nicht darin, gemeinsam Bußgottesdienste zu feiern. Sie muß bei jedem Einzelnen beginnen und auch in den Köpfen der Theologen.

Von evangelischer Seite haben wir als katholische Christen in den letzten Jahrzehnten z. B. eine neue Wertschätzung der Heiligen Schrift gelernt. Umgekehrt sehnen sich immer mehr evangelische Christen nach einer verbindlichen Lehre. Es gibt auch einige evangelische Theologen, die ein Petrusamt für die Universalkirche durchaus für denkbar und wünschenswert halten. Trotz fundamentaler Unterschiede, die theologisch weiterhin in Geduld aufgearbeitet werden müssen, gibt es also auch Fortschritte, die besonders dann deutlich werden, wenn man einmal bereit ist, seine eigene Sichtweise des Glaubens auf den Prüfstand zu stellen. Letztendlich meint "Bekehrung des Herzens" auch dies.

Schließlich ist auf die Provokation angesichts schwerer bioethischer Fra-gen in unserer Gesellschaft zu verweisen: Daß wir in ethischen Fragen wie etwa der Abtreibung, der Stammzellforschung oder der Gewalt in den Medien gemeinsam für die Heiligkeit des Lebens kämpfen, gehört für mich zur geistlichen Ökumene.

4. Ein Blick in unsere Diözese zeigt, daß wir schon etliche geistliche Aufbrüche in der Ökumene haben. In diesem Zusammenhang möchte ich die Wallfahrt nach Retzbach zu "Maria im Grünen Tal" nennen, die vom "Forum Ökumene" des Katholikenrates durchgeführt wird. Darüber hinaus existieren ökumenische Taizé-Gebete, Bibelgesprächskreise und gemeinsame Bibelwochen.

Den neu gewählten Pfarrgemeinderäten gebe ich den Auftrag, einen Arbeitskreis "Ökumene" zu bilden, in dem sowohl die Beziehungen zu anderen christlichen Gemeinden in der Umgebung gepflegt als auch Gebetsinitiativen für die Einheit organisiert werden. Bitte vergessen Sie nicht: Das Gebet um die Einheit ist das Herz der Ökumene!

Möglichkeiten der Begegnung sind vielfältig, obwohl nicht überall in unserem Bistum gleiche Voraussetzungen herrschen. Die Regionen spielen eine entscheidende Rolle. In Fulda wird sich Ökumene anders gestalten als in Hanau, Marburg oder Kassel.

Zu beachten ist, daß es durch den Zuzug von Menschen aus Osteuropa immer mehr orthodoxe Christen in unserem Bistum gibt. Auch wenn Deutschland traditionell durch die Reformation geprägt wird, sollte die östliche Tradition des Christentums - gerade wegen ihrer Mystik und Spiritualität - nicht vergessen werden.
So werden sich die Angebote von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf unterscheiden. Ein persönliches Engagement der Pfarrgemeinden und der örtlichen Geistlichen ist immer von Vorteil. Aber auch das persönliche Interesse der einzelnen Gemeindemitglieder kann etwas ins Rollen bringen. Jeder ist aufgerufen, sich mit seinen Charismen dieser Aufgabe der ganzen Kirche zu stellen. Prüfen wir uns vor Gott, ob die Trennung uns wirklich schmerzt, und was uns der Wunsch des Herrn bedeutet, die Einheit zu suchen.

Es ist leicht zu sagen: "Es hat keinen Sinn, es tut sich nichts in der Ökumene." Besser ist sich zu fragen: "Wie könnte ich dazu beitragen, daß in meinem Dorf, in meiner Schule, in meiner Nachbarschaft der Glaube mehr zur Sprache kommt?"

5. So bleibt die geistliche Ökumene ein Auftrag an uns alle, der für die Zukunft immer wichtiger wird. Es ist an der Zeit, auch innerhalb der Ökumene neue Wege zu beschreiten. In den letzten Jahren wurde uns deutlich, daß durch Gespräche allein die Einheit der Christen nicht wieder hergestellt werden kann. Von daher ist der Hinweis auf die geistliche Ökumene mehr als nur eine Aufforderung zum gemeinsamen Gebet. Sie markiert vielmehr einen Aufbruch in die Ökumene. Dieser Aufbruch ist umso wichtiger, als wir es in Zukunft uns nicht mehr leisten können, als Christen nicht mit einer Stimme zu sprechen. Die Herausforderungen, die uns durch einen zunehmend aggressiven Atheismus und manchmal leider radikalen Islamismus gegeben sind, verlangen eine gemeinsame Antwort der Christen. Auch vor diesem Hintergrund sollten wir uns bewußt werden, daß es viel mehr gibt, was uns eint, als was uns trennt.

Schließen möchte ich mit einem Hinweis des unvergessenen Papstes Johannes Paul II., der in seiner immer noch hoch aktuellen Enzyklika "Ut unum sint" von 1995 am Ende auf drei Elemente aufmerksam macht, die zur vollen Gemeinschaft mit den anderen Christen beitragen können: das Gebet, "das immer von jener Unruhe sein sollte, die Streben nach der Einheit und deshalb eine der notwendigen Formen der Liebe ist"; die Danksagung, getragen vom Bewußtsein, "daß sich der Geist unserer Schwachheit annimmt"; und die Hoffnung, "die uns Klarheit, Kraft und Mut verleiht, um die nötigen Schritte zu unternehmen".

So wünsche ich allen Gemeinden in unserem Bistum im Jubiläumsjahr der Gebetswoche für die Einheit der Christen, daß wir eine neue Ökumene des Gebetes, der Danksagung und der Hoffnung entwickeln, die uns zur sichtbaren Einheit aller Christen in der einen Kirche Christi führt.

Dazu segne Sie auf die Fürsprache der Gottesmutter und des Hl. Bonifatius der ewige Gott: der +Vater und der +Sohn und der +Heilige Geist.

Ihr

Bischof von Fulda

Fulda, Epiphanie 2008

Gebet zum Heiligen Geist

Heiliger Geist,
vollende in uns das Werk, das Jesus begonnen hat!
Stärke unser Gebet für die Welt und führe es weiter.
Mehre in uns das Wachstum eines tiefen, innerlichen Lebens.

Wehre dem berechnenden Geist in uns,
sprenge die Enge unserer kleinen Selbstsucht,
führe uns in die Weite deiner Liebe.

Laß alles im Einklang stehen
mit dem hohenpriesterlichen Gebet Jesu
zu seinem himmlischen Vater.
Heiliger Geist der Liebe,
du bist vom Vater ausgegangen durch den Sohn,
komm über deine Kirche und ihre Gemeinden,
komm über uns Menschen, über die Völker. Amen.

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