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26. März 2017

Predigt zum 4. Fastensonntag

Von Bischof Heinz Josef Algermissen

Viele halten die Gleichnisse Jesu aus dem 15. Kapitel des Lukas-Evan­geliums, wo es verdichtet um das Verlorene geht: das verlorene Schaf, die verlorene Drachme, den verlorenen Sohn, für die am meisten tröstlichen Textstellen des Neuen Testamentes, gleichsam für ein Evangelium im Evangelium.


Indes birgt Bekanntes die Gefahr der Gewöhnung und der oberflächlichen Rezeption. Darum heißt es genauer hinsehen! 

 

Versuchen wir einmal, uns in einer der genannten Personen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn wiederzufinden:


Zu wem spüre ich einen inneren Draht, eine innere Verwandtschaft?


Bei wem entdecke ich etwas von mir? Und warum?


Ich möchte die drei Personen der Geschichte kurz charakterisieren, damit wir uns selber spiegeln können.


Ich beginne mit dem „jüngeren Sohn", der eigenwillig und selbstbewusst einfordert, was ihm zusteht, wie er meint.


Das wollen viele: Ansprüche anmelden, Forderungen stellen, sich durchsetzen. „Jetzt werde ich an meiner Selbstverwirklichung arbeiten, mir die Freiheit nehmen!“


An Beispielen dafür mangelt es nicht: Ich denke an einen Heranwachsenden, der von seinen Eltern das Taschengeld fordert, das ihm – laut gefundener Tabelle – zusteht. Ich denke an eine verheiratete Frau, die nach 15 Jahren Ehe ausbricht, Mann und Kinder zurücklässt, um ein Leben nach ihren Vorstellungen aufzubauen. Ich denke an eine Studentin, die von ihren Eltern das Geld für die Ausbildung im Voraus erwartet, um ein Jahr lang einen Trip rund um die Erde machen zu können.


Und ich vermute, es werden Ihnen wahrscheinlich Ihre ganz persönlichen Beispiele einfallen an Wünschen, Erwartungen und Forderungen.


Da gibt es aber auch noch die Kehrseite der Medaille: In der Freiheit, die schnell zur Fremde wird, weit weg von jeder Geborgenheit, wird dem „jüngeren Sohn“ klar, dass er in einer furchtbaren Sackgasse gelandet ist, nicht mehr raus kann und sich verrannt hat.


Auch solche Erfahrungen kennen wir: Ein Erschrecken über das eigene Verhalten, das wir nicht mehr rückgängig machen können.

 

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!


Auch im „älteren Bruder“ wird uns ein Spiegel vorgehalten, in dem wir uns wiederfinden können. Er fühlt sich benachteiligt, fordert Gerechtigkeit und hat den Blick der Eifersucht und des Neids. Die Krise im Verhältnis des älteren Sohnes zum Vater war wohl latent schon lange vorhanden. Jetzt, nach Rückkehr des Bruders, entwickelt sie sich zur Tragödie.


Exegeten entdecken im Älteren die Juden, die allezeit beim Vater sind, aber dem Fest des neuen Gottesvolkes dennoch fernbleiben.


Gleichwie! Fragen wir uns ehrlich: Mit wem finde ich keine Versöhnung? Was trage ich anderen ständig nach? Es ist fatal: Enttäuschung und Ärger gehen uns eher über die Lippen als ein verzeihendes Wort. Wobei uns hinlänglich bekannt ist, dass, wer nachtragend ist, viel schleppen muss. 

 

Unter dem Aspekt dieser Einsicht ist es besonders hilfreich, auf die dritte Person in der Geschichte zu schauen: Der „barmherzige Vater“ läuft dem Jüngsten entgegen, der nach einem erschöpfenden und liederlichen Leben, auf das Niveau der Schweine gesunken, reumütig zurückkehrt. Nurmehr zu einem Gestammel ist er fähig: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein“ (Lk 15,21).


Wo nach menschlichen Verhaltens- und Vorstellungsweisen ein Fall abgeschlossen und die Tür ins Schloss gefallen ist, eröffnet Gott, so sagt es die Parabel, eine neue Möglichkeit: Die Freude des Vaters über die Heimkehr des Verlorenen kennt kein Abrechnen und keine Vorwürfe. Diese Eigenschaft des „Vaters, der auf seine verlorenen Kinder wartet“, wie es der Hl. Papst Johannes Paul II. bei einer Auslegung dieser Textstelle einmal formulierte, will Jesus mit der wunderbaren Parabel seinen Zuhörern erschließen. Und er bezieht sie auf den „Vater im Himmel“. 

 

Vom Vater in dieser lukanischen Gleichnisrede erfahren wir, was Liebe bedeutet. Wir lernen, dass Prinzipientreue ohne Liebe hartherzig macht. Wo alles in Normen und Gesetzen festgelegt ist, aber die Liebe fehlt, verspüren Menschen nur unerträgliche Last. Gerechtigkeit ist notwendig und gut. Aber Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart. Erziehung junger Menschen ist notwendig. Aber Erziehung ohne Liebe macht widerspenstig. Ordnung ist gut. Aber Ordnung ohne Liebe macht kleinlich und krämerhaft. Sachkenntnis ist gut. Aber Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch. Besitz ist gut. Aber Besitz ohne Liebe macht geizig. Glaube ist lebensnotwendig. Aber Glaube ohne Liebe macht fanatisch. 

 

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!


Die Parabel teilt uns nicht mehr mit, wie sich der ältere Sohn entschieden hat. Hat er die Einladung des Vaters angenommen? Übertrifft er sich selbst und seine Prinzipientreue und kommt doch noch zum Fest und zur Mitfreude über den wiedergefundenen Bruder? Wir wissen es nicht.


Es bleibt eine offene Frage, wie in der Bibel manche offene Fragen bleiben.


Jedenfalls: Das Gleichnis vom barmherzigen Vater zeigt uns befreiend, wie Gott an den Menschen handelt. Das unbegreifliche Erbarmen und die unfassbare Liebe Gottes werden uns geschenkt, ohne dass wir sie bis zur Erschöpfung mühsam erkämpfen müssten ─ wenn wir die wartend geöffneten Arme Gottes annehmen. Dieser Botschaft des göttlichen Erbarmens müssen wir in der österlichen Bußzeit näherkommen. Davon leben wir nämlich, lebt unsere Kirche! Amen.


 

 

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