Fulda (bpf). Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 StGB habe ich mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Von den Klägern wurde wiederholt das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen betont. Kritisch frage ich an: Ist das Verlangen nach Selbsttötung wirklich ein Akt der Freiheit? Oder ist der Wunsch nicht sehr stark bestimmt vom Erleiden der Schmerzen und in vielen Fällen auch von der Erfahrung von Einsamkeit und fehlender Solidarität? Bei der Frage nach dem assistierten Suizid auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen geht es um eine Entscheidung, die nicht mehr rückgängig zu machen ist, weil es sich um den Tod eines Menschen handelt. Wir haben es mit einer Entscheidung zu tun, die im Falle der Selbsttötung jeden weiteren Freiheitsakt des Betroffenen verunmöglicht.
Aus der Begleitung von todkranken Menschen in Seelsorge und Palliativmedizin wissen wir, dass der Sterbeprozess auch emotional mit sehr unterschiedlichen Stadien verbunden ist. Meine persönliche Erfahrung als Seelsorger und auch mit eigenen Familienangehörigen lehrt mich, dass gerade in den letzten Sterbephasen noch wichtige Versöhnungsprozesse stattfinden: Versöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte, Versöhnung mit Menschen. Bisweilen steckt hinter dem Wunsch, das Leben angesichts des Leidens möglichst rasch zu beenden, auch die Erfahrung des Allein-Seins. Als Gesellschaft stehen wir vor der Herausforderung, Leiden und Sterben nicht auszublenden oder vorzeitig abzukürzen, sondern diese – trotz aller Schmerzen und häufig auch in Aussichtslosigkeit auf Genesung – als wertvolle Phase des Lebens zu gestalten. Gleichwohl weiß ich darum, dass das Schicksal des Einzelnen oft so bedrängend ist, dass ich den individuellen Wunsch, das Leben rasch zu beenden, nicht pauschal verurteilen möchte. Ein Gesetz hat in diesem Kontext jedoch den Auftrag, die Gesellschaft in die Pflicht zu nehmen, den Einzelnen in dieser schwierigen Phase des Lebens in seiner Würde und in seinem Lebenswillen zu stärken. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar hingegen kann dazu verleiten, den Druck zur Selbsttötung zu verstärken, wenn etwa dem Umfeld des Leidenden die emotionale und auch finanzielle Belastung als zu hoch erscheint. Die Art und Weise, wie das Bundesverfassungsgericht hier das Recht auf Selbstbestimmung ausgelegt hat, könnte somit auch das Gegenteil bewirken, indem es de facto – auch bei allem guten Willen der Beteiligten – die Fremdbestimmung fördert.
Im Bereich der Palliativmedizin sowie durch
seelsorgliche und therapeutische Angeboten wird im Interesse der Leidenden und
auch der Angehörigen seit Jahren Bedeutendes geleistet. Allen, die sich hier
einsetzen, gilt unser Dank. Wir werden uns als Kirche weiterhin mit Nachdruck
in diesem Bereich engagieren. Und wir werden die Frage nach dem Schutz des
menschlichen Lebens – insbesondere an dessen Anfang und Ende – weiterhin
kritisch in die gesellschaftliche Auseinandersetzung und politische
Willensbildung einbringen.
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