Bischof Gerber betonte angesichts der gesellschaftlichen Dynamiken unserer Tage, dass jeder herausgefordert sei, „in der Spur der Mütter und Väter des Grundgesetzes, in der Spur des Glaubens Israels und der Kirche, die Freiheit und den Frieden in unserem Land als Geschenk und als Verpflichtung zu begreifen. Was wir haben, wurde uns zu einem großen Teil geschenkt und verpflichtet uns zugleich, es zu wahren.“ Dabei sei es notwendig, stets einen kritischen Blick auf die eigene Geschichte zu richten: „Anders die Art und Weise, wie etwa im Russland Wladimir Putins Geschichte umgeschrieben wird und dunkle Episoden sowie eigene Verbrechen negiert werden: Dadurch wird uns neu bewusst, dass es fatale Konsequenzen hat, wenn der Blick auf die eigene Geschichte manipuliert wird“, so Bischof Gerber. Er fügte hinzu: „Unsere Verfassung gibt Zeugnis davon, dass Verantwortung vor der Geschichte nicht nur eine individuelle, sondern auch eine strukturelle, eine institutionelle Dimension hat … Die Frage von Macht und Gewaltenteilung ist ähnlich wie die Frage der sozialen Gerechtigkeit nicht nur eine Frage der Individualethik, sondern hat wesentlich eine strukturelle und eine soziale Komponente.“ Die ersten Worte des Grundgesetzes: „In Verantwortung vor Gott …“ könnten, so Bischof Gerber, aufmerksam machen auf „unsere gemeinsame Verantwortung in unserem Land, unabhängig davon, ob wir einer Religion angehören oder welche politische Überzeugung wir teilen. Es ist die Verantwortung vor der Unverfügbarkeit der Würde des Menschen, die Verantwortung vor der prophetisch-kritischen Dimension unserer Geschichte und die Herausforderung, individuelle und gemeinschaftlich-strukturelle Verantwortung in angemessener Weise einander zuzuordnen.“
Bischöfin Fehrs hob in ihrem geistlichen Wort die Leid- und Ohnmachtserfahrungen hervor, aus denen heraus das Grundgesetz geschrieben wurde: „Das Grundgesetz vollendet eben nicht eine erfolgreiche nationale Entwicklung. Es bietet vielmehr Halt nach der Katastrophe von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft, einem an Grauen nicht zu überbietenden Holocaust und einem mörderischen Zweiten Weltkrieg. Zutiefst gebrochen galt es, den Rücken gerade zu machen für eine neue Ordnung der Mitmenschlichkeit – unantastbar die Würde des Menschen“, so die amtierende Ratsvorsitzende. Entsprechend leise und im „besten Sinne demütig“ komme der Text des Grundgesetzes daher: „Das ,Nie wieder ist jetzt!‘ klingt darin mit. Menschen können Macht missbrauchen und andere abwerten, niedertreten, mit Hass überziehen – aber trotzdem und gerade deswegen halten wir an der Würde des Menschen, an seiner Gottesebenbildlichkeit und am Schutz des Lebens fest“, so Bischöfin Fehrs. Entsprechend baue die Demokratie ausdrücklich auf die verbindende Kraft der Religionen. „Die Demokratie lebt von unserer Versöhnungsarbeit, von der Dialogstärke, vom Hoffnungsmut.“ Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit berechtige und verpflichte zugleich zu Toleranz, Respekt und Vielsprachigkeit. „Wir stehen ein für einen Dialog, der mit extremistischen Verirrungen, die alle Religionen leider auch kennen, nicht vereinbar ist.“ Die Gesellschaft insgesamt lebe vom Engagement aller: „Lasst uns mutig einen Demokratiesommer 2024 ausrufen und damit die Vision der Väter und Mütter des Grundgesetzes aufrecht halten.“
In den Gottesdienst führten Prälatin Dr. Anne Gidion und Prälat Dr. Karl Jüsten ein, die die beiden großen Kirchen in Berlin vertreten. Im Gottesdienst wirkten auch viele junge Menschen mit, die sich aufgrund ihrer christlichen, jüdischen und muslimischen Überzeugungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung engagieren. Den Schlusssegen spendete Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland.
(Quelle/Text: DBK)
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