In der Gesprächsrunde mit Fuldas Bischof Dr. Michael Gerber hatten die Gäste ihre persönlichen Einblicke, Wahrnehmungen und Einschätzungen zur aktuellen Lage eingebracht: Der Abt der deutschsprachigen Benediktinerabtei Dormitio auf dem Berg Zion in Jerusalem, Nikodemus Schnabel und Marie Chowanietz, die als Volontärin in der Dormitio gearbeitet hat. Sie war während des Überfalls der Hamas im Oktober 2023 mit Studenten in der Negev-Wüste nicht weit von den furchtbaren Ereignissen entfernt und ist jetzt wieder ins Heilige Land zurückgekehrt.
Im Leben und Alltag geschehen in Jerusalem viele positive Dinge jenseits der großen Politik auf der unmittelbar zwischenmenschlichen Ebene, berichtete Chowanietz. Es sei vor allem die interreligiöse Gemeinschaft vor Ort, die sie darin bestärke, dass ein Miteinander im Heiligen Land funktionieren könne.
Jerusalem sei seine Heimat geworden, betonte der Benediktiner-Abt Nikodemus Schnabel, er erlebe dort eine Intensität, die er sonst nirgends erlebt hat. Dies sei auch der Grund, weshalb er die Entscheidung getroffen habe, dort zu bleiben.
Weil durch den Krieg aber viele Pilger und Besucher ausbleiben, kämpfe die Dormitio-Abtei aktuell um das wirtschaftliche Überleben. So versteht sich Schnabel heute auch als „Fundraiser“ und Hilfesuchender, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Dormitio weiter eine Beschäftigung zu ermöglichen und vor allem, um die Abtei auf dem Berg Zion und in Tabgha retten zu können.
Ebenfalls mit dabei in der Gesprächsrunde war der Publizist
und Nahost-Experte Dr. Rainer Hermann, der seine Analyse und Expertise zur
aktuellen Situation aus journalistischer Sicht beigetragen hatte.
Hermann, Buchautor, Islamwissenschaftler und ehemaliger FAZ-Korrespondent in
Abu Dhabi, öffnete dabei die Perspektive auf politische Zusammenhänge und
Entwicklungen in der Kriegs- und Krisenregion.
Auf die Bedeutung von Empathie und Mitgefühl als zentrale christliche Werte ging Bischof Gerber in der Gesprächsrunde ein. Die Fähigkeit zur Empathie sei die unabdingbare Grundlage für die Verständigung und den Dialog um einen nachhaltigen Frieden, so der Bischof. Christen seien keine Zuschauer in unserer Gesellschaft, sondern stehen für Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Aktivität, Solidarität – und auch für Spendenbereitschaft.
Leben im Christentum und aus dem Evangelium heraus bedeute, dass das, was uns als Menschen verbindet, immer mehr zählt als alles, was uns durch ethnische Herkunft, kulturelle Prägung oder weltanschauliche Überzeugung unterscheidet.
Angesichts
rechtspopulistischer Strömungen in Europa und den jüngsten Äußerungen Donald
Trumps zu Grönland und Panama warnte Fuldas Bischof vor Übergriffigkeiten,
einseitigen Ich-Perspektiven und Vereinfachungen auf Kosten anderer. Man könne
schnell den Eindruck bekommen, hierbei handele es sich um ein politisches
Konzept, in dem „die Empathie für Menschen anderer Kulturen und
Weltanschauungen regelrecht ‚abtrainiert‘ wird“, sagte der Bischof.
Differenzierte Sichtweisen und emphatisches Vorgehen würden so zunehmend
diskreditiert und damit aus der Vorstellungskraft und der gesellschaftlichen
Kommunikation verbannt.
Gerber rief
dazu auf, sich für die Würde jedes Menschen und für einen gerechten Frieden zu
engagieren, der das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der Völker im
gegenseitigen Miteinander achtet und berücksichtigt.
Der Verlust von Empathiefähigkeit und Mitgefühl sei im Heiligen Land und in vielen anderen Krisengebieten der Welt zu beklagen und habe dort und anderswo stets destruktive Konsequenzen, betonte der Bischof. Ein solcher Mangel an Mitgefühl verursache vernichtende Wirkung und könne die Bereitschaft zur Konfrontation und die Gewaltspirale immer weiter beschleunigen.
Begrüßt wurden die mehr als 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung, Sozialen Diensten und Kirche vom Generalvikar des Bistums Fulda, Prälat Christof Steinert sowie von Gunter Geiger, dem Direktor und Leiter der Katholischen Akademie des Bistums.
In diesem besonderen, von Papst Franziskus eröffneten Heiligen Jahr 2025, sei jeder dazu eingeladen, persönlich für Verständigung und für Not leidende Menschen aktiv zu werden, sagte der Generalvikar in seiner Begrüßung. Es sei an der Zeit, dies so zu tun, wie es jeder nach seinen Möglichkeiten und Kräften kann, so Steinert.
Für die musikalische Begleitung der Begegnung am Sonntag im Fuldaer Bonifatiushaus sorgte der Musiker und Komponist Frank Tischer. Moderatorin des Abends war die Rundfunkjournalistin Stephanie Mosler.
Zum Auftakt der Veranstaltung hatte das Bistum am Nachmittag zu einer musikalischen Andacht in die benachbarte Andreaskirche eingeladen. Es sang das Vokalensemble der Chöre am Fuldaer Dom unter Leitung von Domkapellmeister Franz-Peter Huber, an der Orgel spielte Wolfgang Bolst. Die Predigt hielt Abt Nikodemus Schnabel, die Kollekte ging an die Benediktinerabtei Dormitio und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Jerusalem.
Wer gerne selbst die Arbeit und die Projekte der Benediktiner im Heiligen Land unterstützen möchte, kann mit einer Spende helfen: Abtei Dormitio Jerusalem e.V. - Liga Bank eG, BIC GENODEF1M05, IBAN DE98 7509 0300 0002 1802 78 oder Online über die Internetadresse: spenden.dormitio.net.
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